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In der Debatte um grüne Biotechnologie betont Hendrik Lange, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE:

„Seit die Menschen gezielt Pflanzen anbauen wählen sie die Pflanzen aus, die die besseren Eigenschaften haben. Diese Auslesezüchtung ist wohl die älteste Methode der Pflanzenzucht. Die Züchtung von Pflanzen auf höhere Erträge und Resistenzen ist also uralt und hat zur Nahrungsmittelsicherung beigetragen. Übererträge konnten gehandelt werden. Und je weniger Arbeitskraft für den gleichen Ertrag notwendig war, desto mehr Arbeitskraft konnte in Technische Entwicklungen aber auch in Kunst oder Religion investiert werden. Spätestens mit den Regeln der Kombinationszüchtungen, die Gregor Mendel entdeckt hat, konnte die Kombinationszüchtung systematisiert werden.

Klassische Züchtung ist zielgerichtet, oftmals werden aber Eigenschaften vererbt, die nicht erwünscht sind. Diese Eigenschaften wieder herauszuzüchten, ist ein großer Aufwand. Schließlich müssen die Pflanzen einen gesamten Vegetationszyklus durchlaufen. Und immer wieder müssen Pflanzen an neue Lebensbedingungen angepasst werden oder aber Ertrag, Resistenz gegen Krankheiten sowie die Erscheinungsform der Pflanzen werden geändert. Manchmal gehen gute Eigenschaften verloren aber der Vorteil einer neuen Sorte überwiegt. Manchmal reagieren Menschen stärker allergisch, wie man es von der Apfel-Allergie beispielsweise kennt.

Mit den Erkenntnissen der Wissenschaft um das Erbgut von Lebewesen, der DNA als Bauplan für das Leben, dem Wissen um Mutationen und deren Einflüsse auf die Eigenschaften von Lebewesen kamen völlig neue Formen der Züchtung auf. So wurden und werden durch Strahlung oder Chemikalien Mutationen herbeigeführt und dann die Organismen mit den gewünschten Eigenschaften aussortiert und weitergezüchtet. Es ist offensichtlich, dass dabei mehr Eigenschaften verändert werden und oft auch Veränderungen unentdeckt bleiben. Da es über 3.000 Sorten aus der Mutationszüchtung gibt, wovon die meisten übrigens Getreide sind, ist es sehr wahrscheinlich das jeder von uns schon ein Pflanzenprodukt von diesen Sorten gegessen hat. Streng genommen gelten diese Verfahren übrigens als Gentechnik, werden aber von den strengen Regeln des Gentechnikgesetzes ausgenommen. Als Grund wird die lange Erfahrung mit den Pflanzen angegeben, die durch diese Techniken entstanden sind. Von den Verbrauchern werden diese Pflanzensorten weitgehend akzeptiert.

Nicht von den strengen Regeln des Gentechnikgesetzes ausgenommen sind die Verfahren mit der Genschere – dem CRISPR/CAS9 Verfahren. Dieses Verfahren erlaubt sehr präzise Eingriffe in das Genom und damit präzise Veränderungen. Die damit einhergehenden Eigenschaften lassen sich gut überwachen und erforschen. Die Genschere ist damit ein gutes Werkzeug, um den jahrelangen Züchtungsprozess abzukürzen und verbesserte Pflanzen zu erzeugen.

Es ist keine Frage, CRISPR/CAS ist ein gentechnologisches Verfahren. Ich bin aber überzeugt, dass Pflanzensorten, die mit diesem Verfahren entstanden sind, anders gesetzlich gehandhabt werden müssen als bisher. Das gilt insbesondere für sogenannte Cis-gene Pflanzen. Warum? Bei Cisgenen Methoden werden Veränderungen im eigenen Genom einer Pflanze vorgenommen, die auch durch eine natürliche Mutation oder herkömmliche Züchtung hätten entstehen können. Nehmen wir eine Tomatensorte, die zwar eine hohe Leistung hat, dafür aber gegenüber Krankheiten weniger tolerant ist als andere Tomatensorten. Im Cisgenen Verfahren gelingt es nun, diese Eigenschaften gezielt zusammenzuführen. Wichtig: Die gentechnischen Werkzeuge werden bei weiteren Selektionsschritten aus den Pflanzen entfernt. Damit entstehen Pflanzen, die nicht mehr unterscheidbar von herkömmlich gezüchteten Pflanzen sind.

Dass die EU diese Pflanzen nun einem vereinfachten Verfahren zuführen möchte, halte ich für richtig. Denn es ist auch nicht mehr kontrollierbar, ob diese Pflanzen durch gentechnische Verfahren entstanden sind und die Veränderungen sind übersichtlicher als bei der Mutationszüchtung.

Dass durch diese Verfahren schneller Pflanzensorten an die Bedingungen des Klimawandels angepasst werden können, ist schon erwähnt wurden. Und ja, die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung müssen wir alle im Blick behalten. Hier sei aber auf die große Lebensmittelverschwendung der reichen Länder hingewiesen die ebenfalls menschengemacht ist wie der Hauptfeind des Menschen – der Krieg.

Darum müssen wir bei den angedachten Veränderungen der Gentechnikregelungen in der Landwirtschaft wachsam sein. Denn im Gegensatz zu Cisgenentisch veränderten Pflanzen wird bei transgenen Pflanzen Erbgut aus artfremden Organismen eingebracht. Darum halte ich die stärkere Risikobetrachtung von transgenen Pflanzen weiterhin für richtig, da völlig neue Eigenschaften entstehen können.

Gentechnikdebatten werden auf vielen verschiedenen Betrachtungsebenen geführt. Natürlich ist meine Partei sehr aufmerksam, wenn es um das Kapitalinteresse und die Macht der großen Saatgutkonzerne geht. Aber gerade das Cisgene CRISPR/CAS Verfahren erlaubt es kleinen und mittelständischen Züchtern diese Methoden anzuwenden, wenn sie nicht mehr die strengen Regeln des Gentechnikgesetzes einhalten müssen. Diese Regeln machen die Züchtung nämlich langwierig und teuer – was sich nur die Großkonzerne leisten können.

Zudem sollten die Regeln des Sortenrechts weiter Anwendung finden können. Das bedeutet, dass die neuen Pflanzensorten durch die Landwirte vermehrt werden können und andere Züchter sie kostenlos weiterentwickeln können. Hier brauchen wir die wissenschaftliche, unabhängige Perspektive, Aufklärung und vor allem Ehrlichkeit in der Debatte. Unabhängige Risikoforschung und Begleitforschung sind ebenso unerlässlich wie die Ethische Begleitung. Und wir haben mit dem IPK in Gatersleben in unserem Bundesland dabei einen guten Partner. Zudem ist die Genbank ein Fundus an Sorten der erhalten werden muss. Denn die Eigenschaften der alten Sorten sind bedeutend und es ist eine wichtige Aufgabe, diese zu erhalten.

Ich bin davon überzeugt, dass die Genschere in der Pflanzenzüchtung helfen kann, neue Sorten zum Wohle der Menschheit zu züchten. Gleichwohl bleibt es unsere Aufgabe der Politik und der Gesellschaft, diese Prozesse zu begleiten und zu regulieren. Dabei müssen Wissenschaftlichkeit, Aufklärung und ethische Verantwortung handlungsleitend sein – nicht diffus geschürte Ängste und auch nicht das Gewinnstreben weniger.“

Magdeburg, 8. September 2023